Es könnte so schön sein, in Bayern zu leben. Ehrlich, ich sage das jetzt ganz ohne Ironie. Schließlich soll doch in Bayern die sagenhafte Liberalitas Bavariae gelten, die besondere, bayerische Form der Liberalität, die sich so treffend mit dem Satz „Leben und leben lassen“ zusammenfassen lässt.

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Quelle: http://www.csu.de/politik/themen-werte/lebensgefuehl/

Bayern als das Land der unbegrenzten Chancen, ja, das wäre schon schön. Nur hält besagte Liberalitas Bavariae nur so weit, wie sie nicht urbayerischen Nationalstolz betrifft. Es darf schon jeder machen, was er will, solange er halt keinen „Schmarrn“ macht. Denn dann muss man ihm sehr wohl zeigen, wo es langgeht! „Schmarrn“ ist es deshalb für viele, wenn man sich am heutigen Tag des Deutschen Bieres – wie ich heute – mal wieder mit dem Reinheitsgebot kritisch auseinanderzusetzt. Und „Schmarrn“ ist es auch, wenn man überhaupt auf die Idee kommt, bewusst Biere gegen das Reinheitsgebot zu brauen.

 

Nun ist das mit „dem Reinheitsgebot“ so eine Sache. Es gilt – mit Ausnahmen. Zumindest im liberalen Teil Deutschlands. In Sachen Bier gibt es quer durch die Republik sozusagen eine unsichtbare, aber sehr bedeutsame Grenze – die zwischen dem „Deutschen Reinheitsgebot“ und dem absoluten „Bayerischen Reinheitsgebot“. Reinheitsgebot ist nämlich nicht automatisch Reinheitsgebot. Und was im Bund erlaubt ist, ist es in Bayern nicht automatisch. Der Grundsatz, dass Bundesrecht Landesrecht breche, gilt hier nicht. Das haben sich die Bayern bei ihrem Beitritt zur Deutschen Biersteuergemeinschaft erstritten. §2 Absatz 2 des Beitrittsgesetzes sicherte den Bayern eine strengere Auslegung des Reinheitsgebots zu, die sie auch heute noch mit Zähnen und Klauen verteidigen.

Die Anwendung der Vorschriften des genannten Gesetzes über die Verwendung von Zucker und von aus Zucker hergestellten Farbmitteln sowie von Süßstoff bei der Bereitung obergärigen Bieres, ferner der Vorschriften im §10 Abs. 5 und 6 kann in den Gebieten der in §1 Abs. 1 genannten Freistaaten von der obersten Finanzbehörde ausgeschlossen werden.

Was zu zweierlei Recht im Land führt. Und zu zweierlei Bier. Besonders deutlich hat das erst kürzlich Köstrizer gezeigt. Die haben den deutschen Brauerbund beim Wort genommen und sich eine Ausnahmegenehmigung für ihr Witbier ausstellen lassen. Die Betonung liegt auf dem Begriff BIER! Nach deutschem Recht kein Problem, nach bayerischem Recht mehr oder minder unmöglich. Da dürfen Biere jenseits des Reinheitsgebots nicht Bier heißen und auch sonst nicht die Anmutung von Bier besitzen. Sonst sehen die Bayern hier die Verbraucher getäuscht. Schließlich entspricht ein Witbier nicht dem Reinheitsgebot …

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Wenn Seehofer also von Bayern als einem Land der „unbegrenzten Chancen“ spricht, gilt das natürlich nicht für Bier! Seehofer ist Populist genug, um sich in dieser Sache bestimmt nicht hinter die Kreativbrauer zu stellen. In Sachen Bier haben die Stammtische ihre Meinung und gegen die regiert man in Bayern nicht an. Nicht ungestraft zumindest …. Das hat der Bayerische Brauerbund erst kürzlich wieder in der Brauwelt klar gemacht.

 

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Quelle: http://www.braupartner.de/downloads/reinheitsgebot-bekenntnis.pdf

 

Wenn also David Hertl in seiner Braumanufaktur wieder mal ein Wit braut, könnte es sein, dass er Besuch oder zumindest Post vom Bayerischen Brauerbund bekommt. Sein bernsteinfarbenes Bier mit 6,5 % könnte nämlich das Reinheitsgebot aushebeln.

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Ich fand übrigens beim Wit die Farbe ganz beeindruckend, fast ohne Hefe noch besser als mit. Nun will ich nicht „filtrierte“ Witbiere propagieren, aber warum nicht auch mal ein „Kristall-Wit“ probieren?

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Sonst muss man bei diesem Bier natürlich die Orangenschalen und die Koriandersamen und die Haferflocken betonen. Die machen ein Witbier ja überhaupt erst zum Witbier – und für den Bayerischen Brauerbund (und nur den, der Deutsche Brauerbund ist da cool!) wird erst dadurch aus dem Witbier eben kein Bier mehr! Die Orange kommt fruchtig-säuerlich zum Tragen. Das passt ganz gut zu einem Sommerbier – was ein Witbier ja auch sein will. Dazu kommen auch noch malzige Karamellaromen. Dieser fruchtig, leicht säuerliche Charakter, das nicht zu brutale Orangenaroma – klar, das ist kein Bier, wie man es traditionell gewohnt ist. Wobei – auch das stimmt so nicht.

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Die Gose zum Beispiel ist ein traditionell deutscher Bierstil und wird mindestens seit 1332 gebraut, also weit vor dem Reinheitsgebot. Gebraut wird so eine Gose unter anderem mit Salz und Koriander. Das Witbier wird mit Orangenschale und Koriander gebraut. Die Gose soll laut Bayersicehm Brauerbund genehmigungsfähig sein, das Witbier nicht. Warum? Das weiß der Bayerische Brauerbund alleine.

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Ein anderes Bier „am Rande der Legalität“ wäre das Oatmeal Stout der Braumanufaktur Weyermann®. Auch das darf nicht Bier genannt werden, bestenfalls „Alkoholhaltiges Malzgetränk“. Und selbst das ist grenzwertig, wenn es nach dem Bayerischen Brauerbund geht, handelt es sich doch augenscheinlich bei dem Bier um ein Bier, das kein Bier sein darf … also in Bayern. Im Rest der Republik könnte man mit ausdrücklicher Duldung des Deutschen Brauerbundes mit Hinblick auf § 9 Abs. 7 des Vorläufigen Biergesetzes eine Ausnamegenehmigung beantragen und auf das Oatmeal Stout sogar Bier schreiben.

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Und ehrlich gesagt, das ist ein BIER! Ein sehr komplexes sogar! Ich weiß, „komplex“ wird oft mit „anstrengend“ und „untrinkbar“ übersetzt. Stimmt aber nicht. Das Oatmeal Stout ist dunkel, malzig, erinnert sehr stark an Kaffee- und Schokoladenaromen. Das Mundgefühl ist angenehm voll, der Charakter angenehm kernig. Wow, das Oatmeal Stout hat mich wirklich überzeugt! Es zeigt nussige Noten, Röstaromen und vielleicht auch eine Spur von Lakritz, wie man sie bei einem klassischen Schwarzbier nicht findet. Es ist ein eigener Biertyp, bei dem die Zugabe von Haferflocken den Charakter, die Kernigkeit ond auch die „Cremigkeit“ ausmachen sollen. Der Hopfen – in dem Fall East Kent Golding – spielt vom Aroma und auch von der Bittere kaum eine Rolle. Apropos Bittere: Das Oatmeal Stout hat zwar eine durchaus deutlich wahrnehmbare Röstbittere, aber sie passt erstens zum Bier und zweitens ist sie alles andere als unangenehm. Und auch die 5,2 % Alkohol machen das Bier recht angenehm trinkbar.

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Gut, das Weyermann® Oatmeal Stout kippt man nicht seidlaweise herunter. Aber es ist ein Bier, dass sich zum Beispiel zur Sachertorte oder auch als edelherber Kontrapunkt zu einem Dessert eignen würde.

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Bleibt am Ende die Frage, warum sich der Bayerische Brauerbund mit solchen Bieren so schwer tut? Hat man in München nicht im Moment viel drängendere Probleme? Geht es nur darum, das Jubeljahr 2016 so „störungsfrei“ wie möglich über die Bühne zu bringen? Viele hoffen ja, dass man sich auch in Bayern nach 2016 mal zusammensetzen und den Bier-Begriff neu regeln könnte. Ich bin da leider skeptisch. Es könnte auch sein, dass in diesem und im nächsten Jahr „Fakten geschaffen“ werden, die über 2016 hinaus zu einem bayernweiten Verbot von nicht-reinheitsgebotskonformen Bieren führt. Schließlich – so könnte man vonseiten des Bayerischen Brauerbundes argumentieren – habe es die letzten Jahre auch keine solchen Biere in Bayern mehr gegeben. Die vielgerühmte Liberalitas Bavariae und die Vielfalt in Sachen Bier wären dann endgültig gestorben.

 So, und ich hoffe, jetzt schimpft der Bayerische Brauerbund wieder „Schmarrn!“