Heute gibt es aus gegebenem Anlass den zweiten Teil der “interessanten” Bierzutaten. Nachdem gestern schon der “billigere” Hopfenextrakt im Bier dran war geht es heute um das Malz. Aber erstmal zum Auslöser des Ganzen. Da halte ich also eine Flasche Kellerbier in Händen. Das ist an sich etwas Feines. Und weil es einen interessiert, lese ich die Zutaten. Gut, das sparen sich die meisten, gilt doch eh das Reinheitgebot – mehr oder minder. Bei den Zutaten steht ganz ordentlich: Brauwasser (also kein Leitungswasser!), Gerstenmalz (und kein Roh-Zucker!), Hopfen (Und nicht Hopfenextrakt!), Hefe (ist ja ein unfiltriertes Kellerbier!) und … Röstmalzbier

Kellerbier naturtrüb

Ja, was ist denn das, fragt sich da der Konsument. Seit wann braucht man Bier um Bier herzustellen? Röstmalz weisen zwar durchaus einige dunkle Biere aus, aber Röstmalzbier? Und ist das Pyraser Kellerbier, denn um dieses handelt es sich, nun eine besondere Sprezialität wegen dieses Röstmalzberes – oder schlimmer noch eine Mogelpackung? Schließlich ist auf der Flasche nirgendwo der Hinweis zu sehen, es sei nach dem Reinheitsgebot gebraut!
Keine Sorge, die Pyraser brauen nach dem Reinheitsgebot. Und das Kellerbier ist jetzt nicht das Schlechteste seiner Art: Recht braun und satt trüb steht es kohlensäurelos im Glas. Ist ja ein Kellerbier, muss nicht s
chäumen. Der Geruch ist klar säuerlich, was von der enthaltenen Hefe herrührt. Die meldet sich auch im Antrunk gleich säuerlich zu Wort und wird vom charakteristischen Malz begleitet, das sich süßlich in den Geschmack einbringt. Nach hinten zu läuft es dann noch ein wenig würzig aus, fast wie ein obergäriges Dunkles. Für ein Kellerbier ein ziemliches Geschmackspotpourri. Vergleicht man es mit anderen Kellerbieren, die man so auf den Bierkellern bekommt, hinkt es ein wenig hinterher. Vielleicht bin ich da aber auch nur voreingenommen wegen der Schraubverschluss-Flasche … und da war ja noch dieses Röstmalzbier.

Pyrasser_Keller2

Das ist eigentlich ein Farbstoff. Um genau zu sein, ist es eigentlich so etwas wie dunkles Bier, das nach dem Brauen schonend eingekocht wird, bis ein alkoholfreies Konzentrat übrig bleibt. Das ist je nach Herstellung geschmacklich relativ neutral bis dunkelaromatisch. In der Brauerei verwendet man es meist, um einem Bier eine dunklere Farbe zu geben ohne zu viel dunklen Röstmalzgeschmack. Außerdem können die großen Brauereien damit die Farbe ihrer Biere konstant halten, auch wenn die Farbe des Malzes schwankt. Für die großen Brauereien ist ja die Standadisierung von Farbe und Geschmack wichtiger als bei den kleinen Landbierbrauereien, wo der Sud schonmal heller oder dunkler ausfallen kann. Da der Gesetzgeber beim Reinheitsgebot aber das Verschneiden von Bieren während der Produktion erlaubt, muss das Röstmalzbier als Zutat nicht angegeben werden. Dass es die Pyraser trotzdem tun, ist also mehr ein Zeichen für Transparenz und Ehrlichkeit als für Mogelei am Braukessel.

Für die schwarzen Schafe unter den Brauereien hier und weltweit eröffnen „Zusatzstoffe“ wie Röstmalzbier und Hopfenextrakte aber ungeahnte Möglichkeiten! Mit dem Röstmalzbier lässt sich nämlich sehr gut „mogeln“. Der Anbieter Aspera Röstmalzbiere weist auf seiner Homepage darauf hin, dass „Viele Brauereien […] den Einsatz von Röstmalzbieren [schätzen], um die großen Produktionskapazitäten im Bereich des Sudhauses sowie des Gär- und Lagerkellers kostengünstig zu nutzen ohne auf die häufig lukrativen und ertragsstarken Biersorten des Randsortimentes zu verzichten. Dabei werden die nach Standardrezepturen gebrauten Sude unverändert bis zum Filterkeller gefahren. Erst an dieser Stelle des Brauprozesses wird über die herzustellende Sorte entschieden.

Im Klartext: Brau einfach mal deinen ganzen Kessel voll helles Vollbier, vergäre und lagere es als solches – und wenn dem Kunden dann einfällt, ein Dunkles zu wollen, kannst du es vor dem Abfüllen immernoch einfärben – und teurer verkaufen!
Spezialmalze oder dunkle Malze scheinen in großen Brauereien generell ein Problem zu sein: „Durch das einfache Handling und die chargengerechte Abfüllung wird der Brauer in die Lage versetzt, Spezialbiere oder auch neue Sorten, schnell und unkompliziert herstellen zu können, ohne dabei Silozellen oder Lagerflächen mit Spezialmalzen zu belegen. Ebenso entfällt beim Röstmalzbiereinsatz die aufwendige Reinigung der mit dunklen Malzen befahrenen Förderwege. Eine Verschleppung von Spezialmalzen in helle Sude ist somit ausgeschlossen.“ Soweit wieder Aspera.


Tja, so sieht es wohl aus, wenn die Ökonomen das Ruder in der Hand halten. Und da im Gegensatz zum Sinamar der Mälzerei Weyermann, das sich durch geschmackliche Neutralität auszeichnet, die Röstmalzbiere von Aspera das Endprodukt auch geschmacklich verändern, ergeben sich für den Brauer ganz neue Möglichkeiten:
Theoretisch braut er hektoliterweise ein mildes, wenig gehopftes Helles. Will der Kunde ein Pils, wird Kohlensäure nachgepumpt (verboten, außer es handelt sich um eigene Kohlensäure aus dem Brauprozess) und der typische Pilsgeschmack mit dem isomerisierten Hopfenextrakt (nach dem Reinheitsgebot verboten) zugefügt. Für ein Märzen wird der Alkoholgehalt via „Eisrifing“ (man friert sozusagen das Wasser aus dem Bier aus, erlaubt nach dem Reinheitsgebot) erhöht und Geschmack und Farbe werden mittels Röstmalzbier angepasst. So oder so ähnlich macht man es auch mit Export, Dunklem usw. Und wie gesagt: Das alles lässt sich nach dem Brauprozess und vor dem Abfüllen erledigen – und ist streng genommen nicht mal mehr verboten. Denn das strenge Reinheitsgebot gibt es nicht mehr. Seither ist Bier „ein Getränk aus Malz“. Bier ohne Hinweis auf das Reinheitsgebot und nicht unbedingt unter dem Namen „Bier“ könnte man theoretisch wie eben beschrieben herstellen. Dass dabei auch noch genetisch veränderte Hefestämme zum Einsatz kommen können, die die Vergärung beschleunigen und damit die Maschinenkapazitäten erhöhen, versteht sich von selbst. Außerdem sind natürlich noch die Zusatzstoffe nach Zusatzstoffzulassungsliste erlaubt, … und überhaupt: Wenn etwas nicht oder nur in geringen Mengen am Ende im Produkt Bier verbleibt, muss man es auch nicht angeben. Ehrlich gesagt möchte ich mir da nicht mehr vorstellen, was die Branchenriesen auch in diesem Land alles so mit dem Bier treiben, bis es endlich beim Verbraucher im Glas landet. Na Prost!

Wenn das mal kein Grund ist, bei der (hoffentlich stets guten und reinen) fränkischen Landbierbrauerei um die Ecke sein Seidla zu trinken – und sei es auch aus einer Flasche mit Schraubverschluss. Wohl bekomm’s!